Wie gut stehen eigentlich die Chancen, dass man durch künstliche Befruchtung schwanger wird?
Viele Leute denken, dass man mit künstlicher Befruchtung auf jeden Fall schwanger wird. Leider stimmt das nicht. Wenn man sich den österreichischen IVF-Register Jahresbericht von 2022 ansieht, kann man darin lesen, dass die Schwangerschaftsrate österreichweit pro Embryotransfer im Schnitt bei 34,9 Prozent lag. Natürlich muss man zwischen dem Alter der behandelten Frauen differenzieren. In der Gruppe der 26- bis 30-Jährigen war die Rate mit 39,4 Prozent am höchsten, in der Gruppe der 36- bis 40-Jährigen mit 29,5 Prozent am geringsten. In dem Bericht ist die Schwangerschaftsrate durch künstliche Befruchtung bei Frauen über 40 Jahren nicht angegeben, weil der IVF-Fonds in Österreich ab dem 40. Geburtstag keine Kosten mehr für eine künstliche Befruchtung übernimmt. Man findet dazu allerdings sehr repräsentative Zahlen im Deutschen IFV-Register von 2022, in dem die Daten von ca. 67.000 behandelten Frauen ausgewertet wurden. Demnach sind die Schwangerschaftsraten nach Embryotransfer folgende: Mit 41 Jahren 20,1 Prozent, mit 42 Jahren 16,5 Prozent, mit 43 Jahren 11,3 Prozent, mit 44 Jahren 9 Prozent und mit ≥45 Jahren 3,3 Prozent.
Diese Zahlen sind auf den ersten Blick ernüchternd. Warum ich aber trotzdem finde, dass man sie kennen sollte:
Wenn man davon ausgeht, dass eine künstliche Befruchtung auf jeden Fall sofort zu einer Schwangerschaft führt, wird ein negativer Schwangerschaftstest sehr häufig als persönliche Niederlage erlebt, die schnell mit einem Gefühl des Versagens einhergeht. Der Selbstwert von Frauen, die sich einer Kinderwunschbehandlung unterziehen müssen, ist ohnehin in den meisten Fällen schon stark geschwächt. Wenn man dann vielleicht noch ein paar weitere Fehlversuche hinter sich hat, bleibt man entweder bei der Selbstverurteilung und fühlt sich immer schlechter oder man sucht die Schuld im Außen und macht die behandelnde Ärztin/den behandelnden Arzt dafür verantwortlich.
Mit den entsprechenden Zahlen im Hinterkopf weiß man bereits im Voraus, dass die Kinderwunschbehandlung vermutlich kein einmaliges Erlebnis sein wird, sondern sich über eine längere Zeit hinziehen kann. Man weiß also, dass man sich gut um seine körperliche und psychische Gesundheit kümmern muss, damit man diese Etappe des Lebens gut bewältigen kann und nicht daran zerbricht. Im Idealfall endet diese Phase des Lebens ja damit, dass man eine Schwangerschaft erlebt und ein Baby bekommt, das eine körperlich gesunde und psychisch starke Mama haben möchte.
Man muss diese Zahlen mit einem realistischen Optimismus betrachten. Bei einer gesunden Frau Mitte 20, die einen Partner mit perfekter Spermienqualität hat und genau zum Zeitpunkt des Eisprungs Geschlechtsverkehr hat, liegt die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden auch nur bei ca. 30 Prozent. Im Schnitt müsste also auch diese Frau ungefähr 3 Monate warten, bis sie schwanger wäre. So gesehen ist die oben genannte durchschnittliche Schwangerschaftsrate von knapp 35 Prozent nach einem Embryotransfer nicht einmal so schlecht, sie liegt sogar darüber.
Was man aus den Daten lernen kann ist, dass man ab einem gewissen Alter nicht mehr zu lange warten sollte, wenn eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege nicht stattfindet. Mit Ende 30 kommt es auf natürliche Weise pro Monat nur mehr in 10-12 Prozent zu einer Schwangerschaft, mit über 40 sind es in etwa 5 Prozent und über 45 ist es praktisch ausgeschlossen. Da sind die Zahlen, die man von einer IVF kennt, definitiv höher.
Eine künstliche Befruchtung ist, wie man sieht, kein Garant dafür, dass man schwanger wird. Man schafft es dadurch aber, wenn es gewisse Probleme gibt, aufgrund derer eine natürliche Befruchtung nicht (einfach) möglich ist (wie z.B. verschlossene Eileiter, Endometriose, PCOS, schlechte Spermienqualität des Mannes) die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft überhaupt erst möglich zu machen bzw. drastisch zu erhöhen.
Zusätzlich dazu hat man jederzeit die Möglichkeit, selbstwirksam zu bleiben und nicht die komplette Verantwortung ausschließlich an das Kinderwunschinstitut abzugeben. KinderwunschexpertInnen befassen sich eingehend mit dem reproduktiven System des Körpers. Auch wenn sich in der Zeit der Behandlung natürlich vieles darauf konzentriert, besteht der Körper der Frau trotzdem noch aus viel mehr. So liegt es an einem selbst, dass man seinen gesamten Körper und auch seinen Geist in einen möglichst fruchtbaren Zustand bringt und dadurch die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft weiter erhöht.