HypnoBirthing ist eine Form der mentalen Geburtsvorbereitung, die 1989 von der Amerikanerin Marie Mongan ins Leben gerufen wurde. Marie Mongan wurde inspiriert von dem 1942 erschienenen Buch ‚Childbirth without fear‘ des amerikanischen Gynäkologen Grantyl Dick-Read. Er erkannte den Zusammenhang zwischen Angst (vor der Geburt) und der daraus resultierenden Anspannung des Körpers, die in der Folge zu stärkeren Schmerzen unter der Geburt führt. Er nannte dieses Phänomen Angst-Spannungs-Schmerz-Syndrom. Die Idee von HypnoBirthing ist, dass durch Atemübungen, Entspannungstechniken, Gedankenreisen und die Verwendung von positiv besetzten Wörtern, Ängste gelöst werden und die Schwangeren entspannt und in Folge dessen mit weniger Schmerzen gebären können.
Das klingt grundsätzlich sehr einleuchtend und gut. Warum ich HypnoBirthing aber trotzdem nicht optimal finde: Ich habe einige Jahre lang als HypnoBirthing-Kursleiterin gearbeitet und viele Kurse abgehalten. In der HypnoBirthing-Ausbildung haben wir gelernt, dass wir uns streng an einen vorgegebenen Ablauf halten sollen, sowohl inhaltlich als auch zeitlich. Das Inhaltliche kann ich gut nachvollziehen, denn es soll unter dem Namen HypnoBirthing etwas verkauft werden, das theoretisch in jedem Kurs auf der ganzen Welt gleich ist. Aus der Sicht des HypnoBirthing-Instituts verständlich, denn es soll eine gewisse Qualität gewahrt werden. Das Zeitliche kann ich weniger gut nachvollziehen, denn aus meiner Sicht ist es völlig egal, ob ich den Kurs an einem Wochenende zur Gänze abhalte oder einen Abstand von 3 Wochen zwischen den einzelnen Sitzungen habe.
Ich gebe zu, dass ich mich inhaltlich nicht immer ganz an die Vorgaben gehalten habe, weil manches aus meiner Sicht den Schwangeren eher schadet als nützt. So gibt es bei HypnoBirthing eine Wunschliste mit Wünschen für die Zeit vor, während und nach der Geburt. Die Idee wäre, dass man bereits ein paar Wochen vor der Geburt in den Kreißsaal geht und diese Liste dort deponiert. Das ist eine Idee, die nur von jemandem kommen kann, der keine klinische Erfahrung hat. Wo soll diese Liste abgelegt werden? Die meisten Krankenhäuser haben digitale Krankengeschichten, also was macht man mit dem Zettel? Wenn die Liste einfach irgendwo im Kreißsaalbereich abgelegt wird, ist sie bis zu Geburt auf jeden Fall weg. Das noch viel größere Problem sehe ich aber darin, dass eine Schwangere, die mit einer so detaillierten Wunschliste kommt (und diese Liste geht tatsächlich bis ins kleinste Detail), sehr fordernd wirkt und damit bereits vor der Geburt den Stempel bekommt, dass sie eine ‚schwierige Patientin‘ ist. Ob das gerechtfertigt ist oder nicht, sei dahingestellt, aber Tatsache ist, dass es ziemlich sicher so wäre. Ich finde es prinzipiell sehr gut, wenn man sich im Vorfeld überlegt, was für einen wichtig ist und was nicht. Dafür kann diese Liste eine gute Orientierungshilfe sein, man sollte diese Liste aber bei sich behalten und dann im Bedarfsfall seine Wünsche äußern.
Ein weiterer Punkt ist, dass solche Listen dazu führen, dass man unflexibel wird und Flexibilität ist unter einer Geburt enorm wichtig. Man weiß nicht wann, wie und wo das Baby geboren wird und hat auch nur bis zu einem gewissen Grad Einfluss darauf. Wenn man zum Beispiel in seinem Kopf die feste Vorstellung davon hat, dass man im Wasser gebären möchte, es dann aber doch nicht möglich ist, weil man die Hitze nicht gut toleriert und einem schwindlig wird, wird man enttäuscht sein, dass es nicht geklappt hat. Schwangere werden bei HypnoBirthing dazu angeleitet, für ihre Wünsche und Bedürfnisse einzustehen. Das finde ich prinzipiell gut, denn Schwangere sind mündige Erwachsene, die nicht ab dem Zeitpunkt des Betretens des Krankenhauses die komplette Verantwortung abgeben sollen. Trotzdem liegt im Krankenhaus die Letztverantwortung für das Leben der Mutter und des Kindes bei den Hebammen und ÄrztInnen. Ihre Aufgabe ist es, ständig zu überwachen, ob Mutter und Kind in Sicherheit sind. Sobald einer der beiden in Gefahr ist, können Interventionen gesetzt werden. Wir leben zum Glück in einem Land und einer Zeit, wo Frauen und Babys bei der Geburt nicht mehr sterben müssen. Wenn Frauen nun auf ihrer Wunschliste stehen haben, dass sie auf keinen Fall einen Kaiserschnitt haben wollen oder die Verwendung einer Saugglocke ablehnen, wird HypnoBirthing tatsächlich zum Problem. Ich habe den Schwangeren in meinen Kursen immer mitgegeben, dass sie für ihre Bedürfnisse einstehen können, solange es ihnen und ihrem Baby gut geht, die Verantwortung aber vertrauensvoll an das Fachpersonal abgeben sollen, sobald einer der beiden in Gefahr ist.
Von den Schwangeren, die bei mir HypnoBirthing-Kurse besucht haben, habe ich fast ausschließlich Geburtsgeschichten erzählt bekommen, die ich großartig fand. Trotzdem waren die Frauen selbst oft gar nicht so zufrieden damit. Der Unterschied liegt wohl daran, dass mein Blick auf die Geburt ein realistischer war, denn für mich ist eine Geburt, bei der die Gebärende kein Schmerzmittel benötigt, nicht allzu lange im Kreißsaal ist und spontan mit einer kleinen oder gar keiner Geburtsverletzung ein gesundes Kind zur Welt bringt, fantastisch. Die Erwartungshaltung von Frauen, die sich mit HypnoBirthing auf die Geburt vorbereiten, ist aber eine ganz andere. Ich habe selbst in der Schwangerschaft mit meinem 1. Kind das HypnoBirthing-Buch von Marie Mongan gelesen und ich habe es geliebt. All meine Ängste, die ich vor der Geburt hatte, waren verflogen und ich war überzeugt davon, dass mein Körper und mein Baby als Einheit die Geburt wunderbar meistern würden. Haben wir auch. Die Geburt hat nur wenige Stunden gedauert, ich habe kein Schmerzmittel gebraucht, hatte nur eine kleine Geburtsverletzung und meiner Tochter und mir ging es gut. Aber es hat weh getan und das hat mich enttäuscht, weil ich tatsächlich nach dem Lesen des Buches dachte, dass ich nichts spüren würde. Eine völlig naive Vorstellung, aber weit verbreitet unter HypnoBirthing-Müttern. Als HypnoBirthing-Kursleiterin wird man dazu angehalten, Begriffe wie Schmerz oder weh tun nicht zu verwenden. Stattdessen sagt man besondere Empfindung oder Druck. Auch im Buch ist alles in eine positive Sprache umformuliert. Den Begriff Wehe soll man vermeiden und stattdessen Welle sagen. Die Idee dahinter ist, dass Worte eine Auswirkung auf unsere Psyche haben und negativ geprägte Wörter Angst in uns auslösen. Grundsätzlich glaube ich an diesen Ansatz, aber bringt es etwas, gewisse Wörter auszusparen, wenn man bei der 1. Wehe merkt, dass sie mehr ist als nur eine Empfindung? Wäre man da nicht besser aufgestellt, wenn man wüsste, dass eine Wehe weh tut, man aber durchaus lernen kann, mit entsprechenden Techniken diesen Schmerz gut zu tolerieren? Ist man nicht eher verzweifelt, wenn man merkt, dass die Welle eigentlich doch mehr ist als nur eine Empfindung oder ein Druck? Natürlich zweifelt man an sich selbst, wenn einem vorgegeben wird, dass eine Welle nur eine Empfindung auslöst, man selbst aber trotzdem das Gefühl hat, dass es weh tut. Man fragt sich bei jeder Wehe, ob man etwas falsch macht und dadurch schafft man es nicht mehr, in die Entspannung zu gehen, so wie man es geübt hat. Ich kann also verstehen und rückblickend erkennen, warum Frauen (inklusive mir selbst) enttäuscht waren, wenn ihre falsche Erwartungshaltung, die sie durch HypnoBirthing hatten, nicht erfüllt wurde, obwohl sie objektiv betrachtet eine tolle Geburt hatten.
Ein weiterer Punkt, der fast bei allen HypnoBirthing-Müttern zur Enttäuschung führt, ist das Herausatmen des Kindes. Bei HypnoBirthing wird gelehrt, dass man in der Austreibungsperiode (die Phase der Geburt, in der das Baby die Gebärmutter verlässt, in den Geburtskanal eintritt und geboren wird) nicht pressen darf, sondern das Baby still nach unten atmen soll. Wer schon ein Kind geboren hat weiß, dass man gar nichts anderes machen kann, als zu pressen. Das hat die Natur so vorgesehen, denn der Körper will, dass das Baby, das sich im engen Geburtskanal befindet, so schnell wie möglich herauskommt. Wer versucht, gegen das Pressen anzukämpfen, wird merken, dass das kaum möglich ist. Laut HypnoBirthing soll man aber genau dieses Pressen verhindern und stattdessen das Baby herausatmen. Ich kann dem Gedanken durchaus etwas abgewinnen, dass man nicht die Luft anhalten und mit aller Kraft den gesamten Körper beim Pressen anspannen soll. Dadurch wird unnötiger Weise der Druck im Kopf hoch und die Anspannung der Arme mit geballten Fäusten erschöpft einen. Was man aber aus meiner Sicht weder verhindern kann noch soll ist, dass man im Bauch und mit dem Beckenboden presst. Man kann dabei atmen (anstatt die Luft anzuhalten) und die Arme können entspannt bleiben, aber der gesamte Bauch darf pressen und das ist auch gut so.
Ich finde die Grundidee, die hinter HypnoBirthing steckt, nämlich sich mental auf die Geburt vorzubereiten und den Körper in einen entspannten Grundzustand zu bringen, toll. Ich bin überzeugt davon, dass man es schaffen kann, mit Hilfe von Entspannungstechniken und Atemübungen bei der Geburt ganz fokussiert zu bleiben und mit den Schmerzen auch ohne Schmerzmittel zurechtzukommen. Außerdem gelingt es, durch regelmäßige Gedankenreisen zum Baby in der Schwangerschaft, die vorgeburtliche Bindung zu stärken. Was aber aus meiner Sicht dann im Endeffekt den Erfolg von HypnoBirthing und die Zufriedenheit der Frauen stark vermindert, ist die idealisierte Darstellung der Geburt und die damit erzeugte falsche Erwartungshaltung.